Im Dezember 2011 packten Yoshimi und ihr Mann Jason all ihre Sachen und zogen mit ihren Söhnen Konoha und Biwa, damals 11 und 9 Jahre alt, von der Ostküste Amerikas den ganzen langen Weg westwärts bis nach Philomath. Einen Monat zuvor hatten sie dort im Bundesstaat Oregon ein 2,77 Hektar großes Waldgrundstück mitten in den Bergen gekauft. Hier erfüllten sie sich ihren Traum von einem autarkeren Leben mit Homeschooling und bauten über zwei Jahre lang von Grund auf und mit nur wenig fremder Hilfe ihr Familienhaus, umgeben von einem wunderbaren Selbstversorgergarten mit Ausblick auf eine herrliche Berglandschaft.
Wir hatten dieses Jahr das Glück über zwei Wochen an diesem besinnlichen Ort verweilen zu dürfen und uns inspirieren zu lassen.
Yoshimi ist Motos zweitälteste Halbschwester. Trotz dieser nahen Verwandtschaft, war es erst die zweite Begegnung mit ihr und ihrer Familie. Wir haben sie im Sommer 2024 für ein paar Tage kennengelernt, als sie uns in Offenbach besuchten. (Siehe Beitrag „Lass uns noch mal aufdreh’n!“)
Diesmal waren wir bei ihnen eingeladen und wir wurden dabei sehr liebevoll umsorgt. Gerade in den ersten Tagen waren wir nach unseren emotionsvollen Tagen zuvor in Deutschland sowie nach dem langen Flug noch ziemlich erschöpft. Lisa hatte sich zudem erkältet. Yoshimi und ihre Familie hatten viel Verständnis für uns und der Aufenthalt bei ihnen war sehr erholsam. Sie kochten viel für uns. Sei es Artischocken, Salate, Sauerkirschen, Himbeer- und Heidelbeeren, Apfel- und Traubensaft, Kombucha oder Feigenmarmelade, es gab dabei reichlich Nahrhaftes aus ihrem Garten. Tagsüber konnten wir uns auf der Terrasse ausruhen. Die wärmende Sonne, das Summen der Bienen, Hummeln und manchmal auch der Kolibris, der Ausblick in die Berge und der Wald um uns herum waren sehr wohltuend für Körper, Geist und Seele.
Yoshimi organisierte zudem einige schöne Ausflüge für uns. So besuchten wir den Farmer’s Market in Corvallis, shoppten im Traders Joe und Oceana Natural Foods Coop, wanderten im Wald, sahen das Meer am Devils Punchbowl, aßen thailändisch am Hafen von Newport, pflückten kiloweise Heidelbeeren auf einer Biofarm oder besuchten das Karussel-Museum in Albany. Lisa fuhr auch einmal mit Biwa zum Bouldern.
Wir feierten gemeinsam bei einer befreundeten Familie mit veganen Burgern und Feuerwerk den 4th of July, waren bei einem japanischen Mini-Festival in einem Bambuswald dabei und badeten in den heißen Quellen von Breitenbush, einem beeindruckenden Kurort, welcher von einer Gemeinschaft verwaltet wird. (Nach einem verheerenden Waldbrand in 2020, bei dem etwa die Hälfte der Gebäude zerstört wurde, hat die Breitenbush Gemeinschaft es mit viel Engagement, Wille und Spendengeldern geschafft einen Großteil der Einrichtung wieder aufzubauen.)
Die meiste Zeit haben wir aber auf dem Grundstück verbracht. Es gab im und rund um das Haus viel zu entdecken. Yoshimi und Jason studierten beide Kunst in New York und haben, sei es bei selbstgezimmerten Möbeln, kunstvollen Verzierungen an den Wänden oder spielerischen Installationen im Garten, viel Kreativität in die Gestaltung ihrer Heimstätte einfließen lassen. Zudem gab es bei ihnen ausreichend Gesellschaftsspiele zum ausprobieren. Die Kartenspiele Star Fluxx und Dominion wurden dabei Yasus und Motos Favoriten.
Draußen sahen wir fast täglich Rehe, die über das Gelände spazieren gingen und die Hündin Luca sowie die Katze Crisco leisteten uns desöfteren kuschelige Gesellschaft.
Yasu hatte seinen Spaß auf dem Trampolin zu hüpfen, mit Konoha Papierflugzeuge zu bauen, mit Jason in seiner Werkstatt etwas zu experimentieren, mit Biwa Hacky-Sack hochzuhalten oder mit Yoshimi die Hühner zu füttern. Es wurde auch musiziert und es gab viele Bücher zu lesen. Wir führten ausgiebige Gespräche und erfuhren dabei sehr viel Interessantes über die intensiven Erfahrungen der Familie mit Homeschooling, Selbstversorgung oder dem andauernden Gestaltungsprozess ihres Hauses sowie Gartens.
Wir sind Yoshimi und ihrer Familie sehr dankbar, dass wir das alles erleben durften und sind sehr beeindruckt davon, wie sie es geschafft haben, ihre Idealvorstellung eines selbstbestimmten naturverbundenen Familiendaseins zu verwirklichen.
Wie wunderschön ihr Familiendomizil für amerikanische Verhältnisse tatsächlich ist, wurde uns nochmal bewußt, nachdem wir mit dem Amtrak Cascades Train von Albany nach Portland gefahren sind, um die letzten 2 Tage unserer Reise in dieser Großstadt zu verbringen. Sie gilt mit mehr als 600 veganen und vegetarischen Restaurants als die vegan-freundlichste Stadt der USA. Wir haben mit Sweatpea Bakery, Doe Donuts & Icecream, Greenleaf und Kure, vier davon ausprobiert und hatten dabei unsere Gaumenfreuden. Auf unseren Streifzügen durch die Straßen mussten wir aber auch miterleben, wie arm und verzweifelt die Menschen im reichsten Land der Welt sein konnten. Gefühlt an fast jeder Strassenecke trafen wir Obdachlose, die orientierungslos Selbstgespräche führten. Das hatten wir zuvor in dieser Intensität noch nicht erlebt. So war es gut, dass wir einen Tagesausflug raus aus der Stadt unternehmen konnten, um die Wasserfälle von Multnomah zu besichtigen. Trotz der vielen Touristen, die die gleiche Idee hatten wie wir, haben wir hier ein Stück weit das erdende Gefühl der Naturverbundenheit erhalten, wie wir sie täglich bei Yoshimi erleben durften.
Es war für uns eine sehr besondere Zeit. Am 1. Juli haben wir auf der Terasse früh im Morgengrauen eine Kerze für Nanami Minze zu ihrer Beerdigung angezündet. Es war ein sehr besinnlicher und irgendwie auch ein versöhnlicher Moment mit dem Universum. Vielleicht war das auch der Moment, an dem wir einen großen Teil unserer Trauer loslassen und uns auf unseren neuen Lebensabschnitt freuen konnten. Wir wissen nicht, wie es gewesen wäre, wenn wir damals den Flug gecancelt hätten und nicht auf die andere Seite der Erde gereist wären. Trotz aller Annehmlichkeiten, haben wir durchaus unsere Zeit gebraucht uns an die neue Umgebung zu gewöhnen. Aber wir haben auch immer wieder die kindliche Freude verspürt, etwas Neues kennenzulernen und zu erleben. Wie etwa, als wir bei einem schweißtreibenden Hot-Yoga-Kurs teilnahmen oder knuddelige kleine Streifenhörnchen (Least Chipmunks) auf unserer Wanderung bei den Multnomah Falls entdeckten.
Zurück in Deutschland wurde Yasu erst von seinen Freunden und dem Betreungsteam als „Wackelzahn“ vom Waldkindergarten verabschiedet, um dann drei Wochen später als neuer ABC-Schütze in der Uhlandschule bei uns um die Ecke begrüßt zu werden. Wir haben uns, vor allem aus pragmatischen Gründen (kurzer Schulweg und viele bekannte Gesichter) sowie wegen positiver Erfahrungsberichte von Bekannten, zu dritt bewußt dafür entschieden, es zuerstmal mit dieser staatlichen Schule auszuprobieren.
Zwischenzeitlich waren wir noch mit den „Alten Herren“ von Motos Fussballverein SKG Rumpenheim auf einer feuchtfröhlichen Weinwanderung an der Mosel, verbrachten jeweils eine Woche mit Zelten am Niedermoser See (mit Oma Anke, Matthias, Onkel Jonas, Olive und Violet) sowie beim Rohkostcamp im Odenwald. So haben wir die letzten Wochen von Motos Sabbatjahr noch gut nutzen können.
Wir können wieder mehr daran glauben, dass das Leben es gut mit uns meint. Wir träumen weiter von einem idyllischen Leben an einem wunderschönen Ort am Meer oder See mit Bergpanorama. Gleichzeitig üben wir uns darin, wunschlos glücklich im Hier und Jetzt zu sein. Schon im Vorfeld inspiriert von unserer Reise in das Land der unbegrenzten Möglichkeiten, haben wir das Lied „Let’s believe“ mit der Melody von „Leaving on a jet plane“ geschrieben.
Mit diesem Lied und dem dazugehörigen Bildern endet dieser Blog von unserer Oregon-Reise und wir verabschieden uns diesmal mit einer Textzeile aus unserem vorletzen Lied:
We never gonna stop the circle of life turning,
so we are free, to be happy as can be! 🙂
Hier unser Fotoalbum der Oregon-Reise: https://photos.app.goo.gl/ceqEH44WHJrDWdHW6



