Wir haben den 80. Geburtstag von Oma Keiko zum Anlass genommen mit ihr unsere eigentlich für 2024/25 geplante Zugfahrt nach Japan auf die Osterferien 2023 vorzuziehen und die deutlich schnellere Flug-Variante zu wählen. So waren es dann nur 17 Stunden (inklusive Zwischenstopp in Taipeh), die wir benötigten, um vollkommen gejetlagged in Kansai Airport anzukommen. Der Flug an sich verlief ganz passabel. Unser Reiseproviant ergänzte sich gut mit den vorbestellten „vegan special meals“. Yasu hatte mit seinem Fensterplatz sowie dem Onboard-Kinderunterhaltungsprogramm gewissermaßen sein erstes ausgiebiges Fernseh-Erlebnis und war sonst auch gut beschäftigt. Für die in Japan noch geltenden Corona-Einreiserestriktionen für Ungeimpfte, reichte ein einfacher PCR-Lollitest von Ingenium Labs.
Die ersten vier Tage waren wir in Shin-Osaka und übernachteten traditionell auf Reismatten in der gut ausgestatteten Jugendherberge mit der märchenhaften Nummer 1001. In der hauseigenen Thermalbadanlage konnten wir uns jeden Abend von unseren erlebnisreichen Tagestouren entspannen. Bei unserem ersten Ausflug zu den Tempelanlagen von Nara machte Yasu gleich Bekanntschaft mit den ansässigen Rehen, die einen gern auch mal anknabbern um an Leckerlis zu kommen. Einen Tag darauf waren wir schon am Meer in Oita und besuchten dort Keikos langjährige Freundin Naoko-san. Dort durften wir die Mittagszeit mit freilebenden japanischen Makaken-Affen verbringen, die täglich vom Takasaki-Berg in den eigens für sie eingerichteten Nationalpark kommen, um dort herumzutollen und zu futtern.
Am Karsamstag sausten wir dann mit dem Shinkansen „Sakura“ nach Nagoya zu unserer zweiten Übernachtungsstätte New Rolen Hotel. Hier empfing uns Mitoko-san, die uns abends zum Higashiyama Botanical Garden fuhr, wo wir noch rechtzeitig die Kirschblüten mit beeindruckender Beleuchtung erleben durften. Am Ostersonntag hatte sich tatsächlich der Osterhase die Mühe gemacht bis in den Hisaya-odori Garden Flarie zu kommen, um einen Schokohasen zu verstecken. Dabei war wohl Yasu das einzige Kind weit und breit, das sich auf die Ostersuche machte. Instinktiv und mit Lisas Hilfe entdeckte er voller Freude die Kostbarkeit, welche er sogar noch Tage danach vor dem vollkommenen Verzehr verschonte. Am Ostermontag wurden dann bunte Plastikklötzchen gesucht. Im Legoland Japan verbrachten wir einen kurzweiligen Tag in mitten von überdimensionierten Legofiguren und -fahrzeugen. Im Miniland konnten wir all die bekannten Sehenswürdigkeiten von Japan vorab schon als Legonachbauten bewundern. Ein Original sahen wir dann gleich am nächsten Tag mit der Kinshachi-Burg von Nagoya, die an ihren Giebeln zwei goldene Delfine trägt und uns an Pit, unseren neuen Mitbewohner in Deutschland erinnerte. Tags darauf besuchten wir Motos Lieblings-Cousine Katsumi, ihre Töchter Akane und Chihiro sowie deren Kinder Neo, Tao, Roy, Charlie-Ray und Jesse-Rose mit denen wir zwei schöne gesellige Familientage verbrachten.
Danach folgten noch zwei Tagesausflüge mit dem Shinkansen-Schnellzügen „Hikari“ und „Kodama“, um die japanischen Halbbrüder von Moto zu treffen. Zuerst waren wir in Yokohama, wo wir die Hafenpromenade mit Yasus Onkel Yoshinobu entlang flanierten, der uns anschließend zum Tempura (frittiertes Gemüse) in einer alteingesessenen Gaststätte im Stadtteil Kannai einlud. Einen Tag später fuhren wir fast die gleiche Strecke nochmal nach Tokio, um mit Lisas Schwager Kiyohito, seiner Frau Noriko und deren Tochter Miyu die wuselige Einkaufswelt des Tokioter Hauptbahnhofs auszukundschaften und uns noch eine vegane Nudelsuppe bei T’s Tantan zu gönnen.






Nach all dem heiteren Familientrubel verschlug es uns dann am 11. Tag unserer Reise nach Fujinomiya, wo Lisa und Yasu zum ersten Mal das wohl bekannteste Wahrzeichen von Japan, den Fuji-san, bestaunen konnten. Hier verbrachten wir erholsame drei Tage, an denen wir die Feierlichkeiten zum 800. Geburtstag des Begründers der buddhistischen Nichiren-Religionsgemeinschaft miterleben und in deren Pilgerstätte Taisekiji verweilen durften. Oft begleitet von gut gelaunten Mönchen und deren besinnlichen Mantragesängen sowie Klangschalen, lernten wir ausgiebiger die traditionelle Seite Japans kennen. Im wohltuenden Onsen (japanisches Thermalbad) konnten wir zudem allabendlich unsere Seele baumeln lassen. Vor der Abreise nach Osaka, gönnten wir uns noch die Gaudi und mieteten uns eine der in Japan fast schon zum Kulturgut gehörenden Karaoke-Boxen, in der wir eine Stunde lang Klassiker wie „We are the world“, „Yesterday“, „Nagori yuki“ oder „Ai wa katsu“ trällerten.
Zurück im Shin-Osaka Youth Hostel wurden wir dort mit „Okaerinasai!“ („Willkommene Rückkehr!“) begrüßt und verbrachten dort die letzten zwei Nächte unserer Reise. Tagsüber besuchten wir noch in Kobe das liebevolle Rentnerpärchen Hata, die vor Jahren eine Südeuropareise aufgrund einer plötzlichen Erkrankung abbrechen mussten, aber dafür einige erholsame Tage bei Oma Keiko und Opa Norbert am Kahler See verbringen konnten. Sie luden uns noch zu einer Hafenrundfahrt auf dem traditionell japanisch eingerichteten „Aketamaru“ ein und verköstigten uns anschließend mit leckeren japanischen Erdbeeren und Ananas in ihrer modern eingerichteten Ferienwohnung mit Meeresblick. Im Kobe kauften wir zudem Mitbringsel für Deutschland im Natural House und ließen es uns mit Madagascar-Vanilla- und Mix-Berry-Eiskugeln von Harlow Ice Cream noch mal richtig gut gehen.
Mit über 50 Kg gut gefüllten Koffern und zusätzlichem Handgepäck ging es zum Rückflug dann mit dem Regionalzug Kansai Airport Rapid Service zum Flughafen. Beim Zwischenhalt am Hauptbahnhof von Osaka versorgen wir uns beim „Bioral“ mit Reiseproviant und stärkten uns noch beim „Far East Bazaar“ mit grünem Smoothie und Arabian Gelato.
16 Flugstunden mit China Airlines, eine Stunde Aufenthalt in Taipeh, etliche Computerspiele sowie Hollywoodfilme auf einem kompakten Sitzrücken-Bildschirm und Schwupps waren wir wieder in Good Old Frankfurt. Fast lückenlos vollgepackt fuhr uns Opa Norbert mit seinem Fiesta dann nach Bürgel in unsere vertraute Wohnung, wo wir von Pit mit frisch gebackenen Schoko-Haferkeksen und frisch gebrühtem hawaiianischem Zimt-Tee herzlich empfangen wurden.
Die 16 Tage in Oma Keikos Heimatland waren für uns alle drei eine sehr intensive Zeit. Japan war insbesondere für Lisa und Yasu eine fulminante (Kul-)Tour inklusive beschleunigter Zeit-, Klima-, Kommunikations- und Ernährungsumstellung. All die kleinen Herausforderungen, die wir dabei als Familie bewältigen durften, haben dazu beigetragen, dass wir noch mehr Vertrauen und Verständnis füreinander entwickeln konnten.
Mit all den außergewöhnlichen Sinneseindrücken (inklusiver beheizter Klobrille) und abwechslungsreichen Begegnungen konnte Lisa besser nachempfinden, wie es für ihren Sohn und all seine Gleichaltrigen sein kann, die ja tagtäglich die Welt neu entdecken und erforschen. Zudem konnte sie einen besseren Einblick dafür erhalten, wie die japanische Kultur und deren besondere Gepflogenheiten das manchmal missverständliche Wesen von ihrem Gatten beeinflusst haben könnten.
Für Yasu war die Reise einfach ein Mega-Abenteuer. Als Kapitän eines Space Shuttles, das mal ein Flugzeug, ein Shinkansen, ein Taxi oder ein Boot sein konnte, war er auf dem fremden Planeten Nippon gelandet. Mama und Papa waren dabei seine treuen Crew-Mitglieder, die dafür sorgten, dass er genügend Regenerationsmöglichkeiten und Nervennahrung erhielt. Unser tägliches Workout bestand meist darin, einen ermüdeten Yasu von A nach B zu tragen, wenn mal kein Space Shuttle zur Verfügung stand sowie lange Wege zu gehen, um Mango-Eis und/oder -Saft zu finden, welche zu dieser Zeit seine liebsten Energiebooster waren.
Moto hatte seinen Spaß, die Rolle des Navigators und Dolmetschers für seine beiden Liebsten zu übernehmen. Täglich suchte er eifrig die passenden Lokalitäten mit veganen Optionen bei HappyCow heraus und übersetzte geduldig die Zutatenliste bei all den Lebensmittel-Einkäufen.
Voller kindlicher Freude erlebte er auch die Wiederkehr an die Orte, wo er schon bei seinen früheren Japan-Aufenthalten gerne war und die er nun zum ersten Mal mit seiner eigenen Familie besuchen durfte. Das Wiedersehen mit seinen liebsten Verwandten, denen er schon so vieles zu verdanken hat, war dabei ermunternd herzlich und vertraut. Wir hoffen auf ein baldiges Wiedersehen mit ihnen in Deutschland, damit wir uns für all die lieben Aufmerksamkeiten, inklusive Taschen voller Spielzeug für Yasu, revanchieren können.
Voller Demut blicken wir nun zurück auf eine wundersame Reise, die für unsere Verhältnisse fast schon dekadent war und unsere Vorstellungen einer nachhaltigen Lebensweise auf den Kopf gestellt hat. Wir haben Langstreckenflug, tütenweise Plastikverpackungsmüll, viel Kochkost und Lebensmittel aus konventioneller Landwirtschaft sowie Großstadtgetümmel für dieses besondere Event bewusst in Kauf genommen und dabei alle Bedenken unter die Reismatte gekehrt. Wir hoffen nun insgeheim, dass uns dieser Trip wieder die notwendige Motivation gegeben hat, um all unsere angefangenen Nachhaltigkeitsprojekte voranzubringen, damit wir unsere versaute Ökobilanz wieder auf Vorderfrau bringen können.
Nach zuvor 11 Monaten vielversprechendem Jurtenleben waren wir, bedingt durch ein anstrengendes 1. Schulhalbjahr von Moto, alle etwas erschöpft. Zwei Monate vor unserer Japanreise signalisierte unser Körper dann, mit den zu dieser Jahreszeit üblichen Erkältungskrankheiten, dass es Zeit war für eine Erholung. Da unsere Jurte noch nicht alle uns wichtigen Komfortwünsche, wie warme Dusche oder ein morgendliches Aufwachen ohne Kälteschock, erfüllte, haben wir es uns dann wieder in unserer Wohnung gemütlich gemacht. Passend dazu schickte uns das Universum den Pit, einen fürsorglichen Freund und Delphin- sowie Wal-Versteher, mit dem wir nun in einer wohltuenden Mini-Gemeinschaft leben dürfen.
Nichtsdestotrotz hoffen wir bald wieder unser Jurtenleben fortführen zu können, um mehr in unserem Permakultur-Waldgarten verweilen zu können. Nun warten wir ungeduldig, aber mit großer Zuversicht, auf den richtigen Moment, die neue Gartensaison zu eröffnen. Wir freuen uns schon auf all die schönen Begegnungen, die in diesem Jahr dort oder auch woanders stattfinden werden. Wann immer es euch dann passt, schaut vorbei und fühlt euch willkommen! Bis dahin wünschen wir euch weiterhin eine gute Reise, wo immer euer Geist, Körper und/oder Seele unterwegs sein sollte!
Mit ganz lieben Frühlings-Grüßen aus Bürgel,
Lisa, Yasu und Moto